Für die einen ihr Recht auf Rausch, für die anderen Genuss- oder Arzneimittel. Seit Jahren kämpfen verschiedene Verbände in Deutschland für die Legalisierung von Cannabis. Getan hat sich in den letzten Jahren wenig; neue Entwicklungen könnten allerdings eine positive Tendenz andeuten.

Cannabis-Legalisierung als Teil des Koalitionsvertrags

Als sich 2021 die späteren Regierungsparteien, bestehend aus FDP, Grünen und SPD, in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Legalisierung von Cannabis einigten, war bei vielen Befürwortern der Legalisierung ein hörbares Aufatmen zu vernehmen. Allerdings sorgte der Passus „eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecke in lizenzierten Geschäften“ schon damals für erheblichen Zweifel an einer schnellen Umsetzung des Beschlossenen.

Bereits nach Verlautbarung regte sich innerhalb des Bundesrats massiver Widerstand, besonders aus den Reihen der CDU. So kritisierte beispielsweise der Innenminister Baden-Württembergs den eingeschlagenen Weg der Legalisierung als „falsch“ und wies auf einen fehlenden Nutzen der Entkriminalisierung hin, da besonders die Strafverfolgungsbehörden keinen erkennbaren Nutzen von dieser Maßnahme hätten.

Aber auch aus den eigenen Reihen gab es regen Widerstand. Verschiedenen Politiker hielten den Vorstoß als zu schnell und unüberlegt, da selbst bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags kein ausreichend ausgearbeiteter Maßnahmenkatalog vorlag.

Legalisierung „von Amtswegen“?

Aufwind rund um die Legalisierung könnte es aber aus den Reihen der Justiz geben. Bereits seit Jahren kämpft ein Richter am Amtsgericht für die Legalisierung des Rauschmittels und die damit verbundene Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten. Der Richter dürfte vielen aus verschiedenen medialen Formaten bekannt sein; gemeint ist Andreas Müller. 2020 wandte er sich mit einem 140 Seiten umfassenden Normenkontrollantrag an das BVerfG (Bundesverfassungsgericht), da er die Prohibition für verfassungswidrig hält. Das deutsche Grundgesetz gestattet es Richtern in Deutschland Verfahren gegebenenfalls auszusetzen und das BVerfG mit der Prüfung der jeweiligen Rechtsnorm zu „beauftragen“. Dieses muss nun urteilen, ob die entsprechenden Gesetze tatsächlich mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Durch die Richtervorlage, seinen veröffentlichten Schriften und aufgrund seiner Popularität innerhalb der Szene warf die zuständige Staatsanwaltschaft Frankfurt Oder dem Richter übrigens Befangenheit vor; allerdings scheiterte sie mit der Beschwerde, zuletzt vor dem Landgericht in Frankfurt Oder.

Andreas Müller ist als Richter mittlerweile kein Einzelkämpfer mehr. 2021 zogen 2 weitere Gerichte, das Amtsgericht Pasewalk und das Amtsgericht Münster, nach. Beide hatten sich wegen diverser verfassungsrechtlicher Bedenken per Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht gewandt.

Besonders interessant dürfte dabei ein Argument des Amtsgerichts Pasewalk sein. Das Gericht verwies in seiner Begründung unter anderem auf die unterschiedlich gehandhabte Einstellungspraxis der Behörden bei der sogenannten „geringen Menge zum Eigenbedarf“. Diese Menge variiert von Bundesland zu Bundesland. Auch gibt es unterschiedliche Handhabungen der Länder, welche den Ermessensspielraum der Staatsanwaltschaft betreffen. Diese uneinheitliche Einstellungspraxis hat jedoch das BVerfG bereits 1994 kritisiert und den Gesetzgeber aufgefordert, eine einheitliche Einstellungspraxis zu schaffen.

Allerdings wurde auch die Gefährlichkeit thematisiert. Schließlich wurde Cannabis 2020 von der UN-Suchtkommission aus der Liste der gefährlichen Drogen gestrichen. Ein Fakt, der zu berücksichtigen sei, so das Gericht.

Auch haben sich mittlerweile 123 Strafrechtsprofessorinnen und -professoren mit einer Resolution an den Deutschen Bundestag gewandt, in der man die derzeitige Drogenprohibition für unzweckmäßig halte.

Standpunkt Medizin

Während sich aus der Justiz einstimmige Stimmen erheben, sieht es im medizinischen Sektor uneinheitlich aus. Zwar gibt es eine überwiegende Mehrheit von Medizinern, die der Droge durchaus positiv gegenüberstehen, allerdings einzig zur therapeutischen Anwendung. Dafür sind Cannabisprodukte jedoch bereits seit 2017 freigegeben. Beim Thema Genuss ist die Meinung jedoch zwiegespalten. So sprach sich der Deutsche Ärztetag (DÄT) 2021 kritisch gegenüber einer Legalisierung aus. Während zum einen Bedenken hinsichtlich der Gefahren geäußert wurde, wurde auch von einer Zunahme von cannabisbedingten Notaufnahmen berichtet. Einig war man sich jedoch, Konsumenten nicht in die Illegalität drängen zu wollen. So schlug der DÄT beispielsweise vor, dass der Besitz geringer Drogen künftig nicht mehr strafbewehrt sein sollte, sondern als Ordnungswidrigkeit mit einer Beratungsauflage geahndet werden solle. Allerdings betonte der DÄT die mangelnde Studienlage und sprach sich für ein Präventionsprogramm für Jugendliche aus.

Dass es aber auch genug andere Stimmen aus dem medizinischen Sektor gibt, zeigt das Beispiel von Prof. Ulrich Zimmermann. Er spricht sich für eine Legalisierung aus, schließlich ließe sich auch so die Qualität von Cannabis kontrollieren. Allerdings spricht er sich für eine Abgabe frühstens ab dem 21. Lebensjahr aus und nur an Konsumenten mit einem gewissen Wissen, was Konsum und Droge angeht.

Statement des Drogenbeauftragten: Hoffnungsschimmer oder Wermutstropfen?

Eindeutiger äußerte sich kürzlich der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Er hält die Cannabis-Legalisierung als „eines der zentralen Projekte“ der derzeitigen Regierung. Allerdings verweist er auch auf die Komplexität des Themas. Gleichzeitig bekräftigt er aber an dem Festhalten des im Koalitionsvertrags Vereinbarten. Klar ist für ihn, dass der gesamte Prozess, sei es der Anbau oder der Ladenverkauf unter staatlicher Kontrolle stehen soll. Als Vorbild sieht er Kanada, wo durch eine Legalisierung ein Rückgang des „Schwarzmarkts“ zu beobachten ist.

Auch bei der Abgabe hält er an dem verabschiedeten Koalitionsvertrag fest. Cannabis soll für Erwachsene frei verkäuflich sein. Dafür gilt es aber zusätzlich das Thema Prävention und Aufklärung zu fokussieren. So hält er einen Warnhinweis, ähnlich wie bei Tabakwaren, für eine gute Idee. Zudem sollte Cannabis-Werbung im Interesse des Kinder- und Jugendschutzes gemieden werden. Weiterhin soll die Prävention an Schulen ausgebaut werden. Zusätzlich setzt er auf die Abgabe durch geschultes Verkaufspersonal.

Fazit

Seit 1994 ist viel passiert. Manches hätte zwar schneller gehen können, trotzdem stehen die Zeichen positiv. Dass zwar gerade Mediziner sich gegen eine Legalisierung stemmen, mag einige verwundern, allerdings ist durch die jahrelange Tabuisierung und der fehlenden Studienlage auch das nicht weiter verwunderlich. Durchaus positiv ist das Statement des Sucht- und Drogenbeauftragten, der einer Legalisierung positiv gegenübersteht. Fakt ist auf jeden Fall eins, spätestens nach einem Urteil des BVerfG wird man sich nochmals intensiv mit der Legalisierung von Cannabis befassen müssen. Ein Urteil wird noch 2022 zu erwarten sein.